Nach acht Jahren Normungsarbeit, über 1.250 Einsprüchen und einem Schlichtungsverfahren ist sie endlich da: Die DIN VDE V 0126-95 wurde am 14. November 2025 veröffentlicht und trat zum 1. Dezember 2025 in Kraft. Damit gibt es erstmals eine vollständige Produktnorm für Steckersolargeräte in Deutschland. Die große Frage, die viele Balkonkraftwerk-Besitzer seit Jahren beschäftigt hat, ist damit beantwortet: Ja, der Schuko-Stecker ist offiziell erlaubt – aber mit Einschränkungen.
Die wichtigsten Punkte:
- Schuko-Stecker erlaubt bis 960 Wp Modulleistung
- Wechselrichter-Ausgangsleistung bleibt bei max. 800 VA
- Für 960 bis 2.000 Wp ist ein Wieland-Stecker erforderlich
- Bestandsschutz für alle Altanlagen vor Dezember 2025
Was die neue Norm konkret regelt
Die DIN VDE V 0126-95 ist die weltweit erste Produktnorm für Steckersolargeräte. Sie definiert verbindliche Sicherheitsanforderungen und legt fest, unter welchen Bedingungen ein Balkonkraftwerk normgerecht betrieben werden kann. Das „V“ in der Bezeichnung steht übrigens für Vornorm – ein Hinweis darauf, dass weitere Anpassungen folgen könnten.
Die zentrale Neuerung: Modifizierte Schuko-Stecker sind jetzt offiziell zulässig. Allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Der Stecker muss entweder mit einer Schutzumhüllung versehen sein oder über einen internen Trennschalter verfügen. Alternativ kann die Sicherheit durch eine galvanische Trennung im Wechselrichter gewährleistet werden. Diese Mechanismen sorgen dafür, dass beim Abziehen des Steckers kein Stromschlag droht – die Spannung muss laut Norm innerhalb von 200 Millisekunden abgeschaltet werden.
Die Leistungsgrenzen im Detail
Bei den Leistungsgrenzen differenziert die Norm nach der Art des Anschlusses. Wer sein Balkonkraftwerk über einen Schuko-Stecker betreibt, darf maximal 960 Wp Modulleistung installieren. Diese Grenze ergibt sich aus der Formel 800 Watt plus 20 Prozent Toleranz. Der Grund für diese Einschränkung: Haushaltssteckdosen erwärmen sich bei höherer Dauerbelastung stärker, was ein thermisches Risiko darstellt.
Wer mehr Leistung nutzen möchte, muss auf einen Wieland-Stecker (offiziell: Energiesteckvorrichtung nach DIN VDE V 0628-1) umsteigen. Damit sind bis zu 2.000 Wp Modulleistung zulässig. Die Installation der entsprechenden Einspeisesteckdose sollte durch eine Elektrofachkraft erfolgen. Unabhängig vom Steckertyp bleibt die maximale Wechselrichter-Ausgangsleistung bei 800 VA – daran ändert sich nichts.
Technische Daten der neuen Norm:
- Maximale Wechselrichterleistung: 800 VA
- Modulleistung mit Schuko: max. 960 Wp
- Modulleistung mit Wieland: max. 2.000 Wp
- Abschaltzeit bei Steckertrennung: unter 200 ms
- Gültig ab: 1. Dezember 2025
Was bedeutet das für bestehende Anlagen?
Gute Nachrichten für alle, die bereits ein Balkonkraftwerk betreiben: Es gilt Bestandsschutz. Wer seine Anlage vor Dezember 2025 in Betrieb genommen hat, muss keine Änderungen vornehmen – vorausgesetzt, die damals gültigen Regeln wurden eingehalten. Die neue Norm richtet sich primär an Hersteller und betrifft Neugeräte.
Wichtig zu wissen: Der Bestandsschutz entfällt, sobald wesentliche Änderungen an der Anlage vorgenommen werden. Wer also Module austauscht, die Leistung erhöht oder die Anschlussart ändert, fällt automatisch unter die neuen Anforderungen.
Was die Norm nicht regelt
Ein Thema bleibt vorerst ausgeklammert: Batteriespeicher. Die DIN VDE V 0126-95 behandelt ausschließlich Steckersolargeräte ohne integrierte Speicher. Für Anlagen mit Speicher gelten weiterhin die bisherigen Regeln – eine Elektrofachkraft muss die Installation übernehmen, und die Anmeldung im Marktstammdatenregister ist Pflicht. Das zuständige Normungsgremium hat bereits angekündigt, im Laufe des Jahres 2026 eine ergänzende Norm für Balkonkraftwerke mit Speicher zu veröffentlichen.
Ebenfalls wichtig: Die Norm verbietet künftig Wechselrichter, deren Ausgangsleistung vom Endanwender per Software verändert werden kann. Ein auf 800 Watt gedrosselter Wechselrichter, der sich per App auf höhere Leistungen einstellen lässt, ist für neue Balkonkraftwerke nicht mehr zulässig.
Kritik an der neuen Norm
Trotz der lang ersehnten Rechtssicherheit gibt es durchaus kritische Stimmen zur DIN VDE V 0126-95. Ein zentraler Kritikpunkt betrifft die 960-Wp-Grenze für Schuko-Anschlüsse. Der VDE liefert hierfür keine wirklich überzeugende Erklärung. Technisch gesehen fließen durch die Steckdose maximal 800 Watt – unabhängig davon, wie viel Modulleistung auf dem Dach oder Balkon installiert ist. Kritiker argumentieren: Ob der Strom durch eine Schuko- oder Wieland-Steckdose fließt, macht bei identischer Einspeiseleistung keinen Unterschied.
Hinzu kommt ein praktisches Problem: Moderne Solarmodule werden immer leistungsstärker. Module mit 500 Watt sind mittlerweile Standard, zwei davon an einem Wechselrichter wären mit insgesamt 1.000 Wp aber schon nicht mehr für den Schuko-Anschluss zugelassen. Wer heute ein aktuelles Zwei-Modul-Set kauft, überschreitet womöglich bereits die Grenze und müsste auf einen Wieland-Anschluss umsteigen – inklusive Elektriker-Kosten.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das Thema Nachhaltigkeit und Upcycling. Solarmodule halten lange und werden von Unternehmen wie Panelretter gebraucht weiterverkauft. Vereine wie Balkon.Solar veranstalten Upcycling-Events, bei denen aus Restbeständen funktionsfähige Balkonkraftwerke entstehen. Da die Norm vorschreibt, dass alle Steckverbindungen vom selben Hersteller stammen sollen, wird es in der Praxis schwieriger, normkonforme Anlagen aus verschiedenen Komponenten zusammenzubauen. Für kleine Anbieter und Bastler wird die Zertifizierung zur echten Hürde.
Auch die fehlende Regelung für Batteriespeicher sorgt für Unsicherheit. Balkonkraftwerke mit Akku sind explizit von der Norm ausgenommen – eine ergänzende Regelung soll erst 2026 folgen. In der Zwischenzeit bleibt unklar, ob und wie solche Anlagen normkonform betrieben werden können.
Nicht zuletzt wird die extrem lange Normungszeit kritisiert. Acht Jahre Entwicklung, über 1.250 Einsprüche und ein Schlichtungsverfahren für ein vergleichsweise simples Produkt – das erscheint vielen unverhältnismäßig. Die Praxis hatte längst Fakten geschaffen: Laut Marktstammdatenregister sind über eine Million Balkonkraftwerke in Deutschland angemeldet, die überwiegende Mehrheit davon mit Schuko-Stecker.
Klare Verhältnisse – aber nicht unbedingt besser
Mit der DIN VDE V 0126-95 endet eine jahrelange Grauzone. Die Norm schafft klare Verhältnisse und gibt Verbrauchern endlich Rechtssicherheit – das ist grundsätzlich positiv. Für die typische Zwei-Modul-Anlage mit rund 800 Wp ändert sich praktisch nichts, Schuko bleibt erlaubt. Wer allerdings auf die gesetzlich möglichen 2.000 Wp gehen möchte, kommt um einen Wieland-Anschluss nicht herum.
Die Kritik an der 960-Wp-Grenze finde ich nachvollziehbar – gerade angesichts immer leistungsstärkerer Module wirkt diese Schwelle wie ein Kompromiss, der schon bald nicht mehr zeitgemäß sein könnte. Auch das Upcycling-Problem und die fehlende Speicher-Regelung zeigen: Hier wurde eine Norm für den Status quo geschaffen, nicht für die Zukunft.



